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Keine Informationsfreiheit: Behördliche Telefonverzeichnisse bleiben geheim

Bürger haben keinen Anspruch darauf, Telefonnummern oder Mail-Adressen von Mitarbeitern staatlicher und kommunaler Behörden oder Gerichte zu erfragen. Dies stellt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann auf eine Anfrage zum Plenum des SPD-Abgeordneten Dr. Paul Wengert klar. Wer nach Verwaltungsinformationen wie einem Telefon- oder Mail-Verzeichnis einer Behörde fragt, muss ein „berechtiges“ Interesse an dieser Auskunft darlegen.

Mit Verweis auf die Geschäftsordnung „Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern“, kurz AGO, verneint der bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Frage des Abgeordneten Dr. Paul Wengert (SPD), ob für Bürgerinnen und Bürger in Bayern ein Recht auf Zugang zu unveröffentlichten Telefon- und E-Mail-Verzeichnissen der staatlichen und kommunalen Behörden und Gerichte besteht.

In Bayern gibt es kein Informationsfreiheitsgesetz. Für den Umgang der Behörden des Freistaats Bayern mit Informationsanfragen von Bürgern ist zum einen das Verwaltungsverfahrensgesetz maßgeblich. Demnach hat eine Behörde demjenigen Einsicht zu gestatten, der an einem Verwaltungsverfahren beteiligt ist; allerdings nur, sofern ein „rechtliches Interesse“ dies erforderlich macht. Zum anderen gibt es die „Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern“ (AGO). Hier ist die Auskunft und Akteneinsicht geregelt, wenn es nicht um die eigenen Angelegenheiten des Antragstellers geht.

Diese Geschäftsordnung hat einen eigenen Paragraphen, der den Behörden des Freistaates explizit „Bürgernähe“ verordnet: In § 5 heißt es unter dieser Überschrift: „Die Behörden sollen für die Bürger persönlich, telefonisch, schriftlich, per Telefax und elektronisch erreichbar sein.“ Doch wenn jemand ernst macht und nach einem Telefon- oder Mail-Verzeichnis einer Behörde fragt, sind die Grenzen der Bürgernähe anscheinend schnell überschritten. Dann kommt Paragraph 9 zum Zuge, demzufolge Auskunft oder Akteneinsicht nur gewährt werden darf, „wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird“. Doch selbst wenn es gelingen sollte, dieses berechtigte Interesse glaubhaft zu machen, darf „Auskunft oder Akteneinsicht [...] nicht gewährt werden, wenn besondere Rechts- und Verwaltungsvorschriften, das öffentliche Interesse oder überwiegende Interessen Dritter entgegenstehen.“

Seine Verneinung des Informationsanspruchs begründet Herrmann auch damit, dass bei der Veröffentlichung von Telefon- und E-Mail-Verzeichnissen in besonderem Maße datenschutzrechtliche Belange zu beachten seien. Gemäß Artikel 19 des Bayerisches Datenschutzgesetzes, auf das Herrmann in seiner Antwort ebenfalls verweist, ist eine Datenübermittlung an „nicht-öffentliche Stellen“ unter anderem dann zulässig, wenn die nicht-öffentliche Stelle ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluß der Übermittlung hat.“ Ob und inwieweit ein Bürger wie eine „nicht-öffentliche Stelle“ zu behandeln oder gar mit dieser identisch ist, darauf geht der Minister nicht ein. Die Übermittlung der betreffenden Daten unterliege hier einer einzelfallbezogenen Abwägung zwischen widerstreitenden Interessen, so Hermann. In einigen Verwaltungsbereichen könnten zudem Sicherheitsbedenken gegen eine Übermittlung der Daten sprechen.

Abgesehen von individuellen Sicherheitsbelangen, die eine Ausnahme begründen können, ist die Herausgabe von Telefon- oder E-Mail-Verzeichnissen in den meisten Bundesländern gewährleistet – durch das jeweilige Informationsfreiheitsgesetz. Beispiel Rheinland-Pfalz: Wer hier als Behördenmitarbeiter in amtlicher Funktion tätig ist, muss mit dem Bekanntwerden personenbezogener Daten beim Informationszugang leben, zumindest wenn wenn es um Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer geht.

Auch das Bundes-Informationsfreiheitsgesetz – das für Bundesministerien und Bundesbehörden gilt – sieht bei Verwaltungsmitarbeitern Name, Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und Kontaktdaten wie Telefonnummern nicht vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Angaben stellen keine schützenswerten personenbezogenen Daten dar, sie zu erfragen, erfordert keine „glaubhafte“ Darlegung eines „berechtigten“ Interesses.

Das Oberwaltungsgericht in Münster hat heute die Klage eines Rechtsanwalts auf Herausgabe der Telefondurchwahlnummern aller Richter abgewiesen. Der Kläger hatte argumentiert, dass das Land Nordrhein-Westfalen gemäß Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet sei, eine Telefonliste des Verwaltungsgerichts Aachen herauszugeben, aus der die Durchwahlnummern aller Richterinnen und Richter hervorgehen.

Was die Telefonnummern der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen betrifft, hat der Senat die zuvor ergangene ablehnende Entscheidung aufgehoben und das Bundesland verpflichtet, den Antrag neu zu bescheiden. Zwar seien hier öffentliche Belange nicht betroffen, so das Gericht. Der Zugang zu diesen Telefonnummern scheitere jedoch am Schutz personenbezogener Daten, solange die betroffenen Gerichtsangehörigen nicht in die Weitergabe ihrer Telefondaten eingewilligt hätten. Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichte dazu, die Betroffenen personenbezogen nach ihrer Einwilligung zu befragen. Dies sei bisher nicht geschehen. Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen. Möglich ist eine Nichtzulassungsbe­schwerde, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 8 A 1943/13.