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Experten wollen Informationsfreiheitsgesetz ausweiten

Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) sollte nachgebessert werden, émpfahl eine Mehrzahl von Sachverständigen auf einer Anhörung im Bundestag. "Ich sehe Spielraum nach oben", erklärte Jan Ziekow von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften am Montag. Die Forscher hätten in ihrer IFG-Evaluation eine "Bereinigung des Bestandes" der Ausnahmen vom allgemeinen Recht auf Aktenzugang empfohlen. Dort gebe es derzeit Doppelungen, die bei Juristen zu einer "Suche nach Restanwendungsbereichen" und einer restriktiven Auslegung der Informationsfreiheit führen könnten.

Ziekow legte den Volksvertretern auch nahe, über den Vorstoß der Grünen zur ausdrücklichen Aufnahme der Informationsfreiheit ins Grundgesetz nachzudenken, wenn sie den mit dem IFG eingeleiteten Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft stärker zum Ausdruck bringen wollten. "Der internationale Trend geht in diese Richtung". Ferner riet er den Behörden, Informationen von sich aus verstärkt online zu stellen. Sie müssten den Bürgern signalisieren.

Der frühere Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommerns, Karsten Neumann, plädierte dafür, die Organisation der Verwaltung so umzustellen, dass Auskünfte einfach möglich sind. Als Vorbild führte neben den USA, wo die klare Anweisung "im Zweifel für die Informationsfreiheit" gelte, Schweden an. Dort liege die Frist zur Auskunft statt mehrere Wochen wie hierzulande bei zwei Arbeitstagen, erklärte Neumann, der jetzt als Berater für 2B Advice tätig ist. Wie bei der EU-Kommission würden Akten schon beim Anlegen in bestimmte Klassen eingeteilt. Dabei seien rund 90 Prozent ohne Beschränkungen, 10 Prozent mit Bestimmungen zur Abwägung vor einer Herausgabe personenbezogener Daten sowie 2 Prozent mit Geheimhaltungsauflagen versehen.

Hierzulande werde das Datenschutzrecht "sehr gern und sehr leichtfertig" als Feigenblatt genutzt, um Auskünfte zu verweigern, führte Neumann aus. Die Verwaltung sollte daher zumindest bei einem Widerspruchsverfahren verpflichtet sein, den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit (BFDI) einzuschalten. Seinen Empfehlungen müsse mehr Verbindlichkeit zukommen. Es sei ein "deutliches Signal gegenüber der Verwaltung erwünscht: "Wir wollen weitergehen", was etwa per Verfassungsänderung zum Ausdruck gebracht werden könne. Parallel sei dann aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung explizit als Grundrecht zu fassen. Der derzeit absolute Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisen müsse durch eine Abwägungsklausel wie beim Datenschutz ersetzt werden.

Das sieben Jahre alte IFG sei dringend zu novellieren und das Recht auf Akteneinsicht ins Grundgesetz aufzunehmen, forderte Christoph Partsch von der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit. Die derzeitigen Regelungen blieben weit hinter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und anderer westlicher Länder zurück. Eine klare Änderung des Grundgesetzes könne im IFG enthaltenen Zirkelschluss entfernen, "dass die Verwaltung bestimmt, was öffentlich gemacht wird". Derzeit seien über 50 Prozent der Klagen auf Basis des Gesetzes erfolgreich, was auf ein "überwiegend rechtswidriges Verhalten" der Behörden hinweise. Der Rechtsanwalt drängte auf eine Beschleunigung des Rechtswegs.

"Das IFG war ein ganz entscheidender Schritt, unabhängig von der Nutzungshäufigkeit", konstatierte Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Allein die Möglichkeit zur Anfrage könne Verwaltungshandeln verändern. Man dürfe sich Partizipation nicht zu individuell vorstellen, da Auskünfte von allgemeinem Interesse oft über Bürgerinitiativen eingeholt würden. Nun müssten die Ausnahmeregeln konsistenter gefasst werden; der Grundanspruch dürfe sich nicht in einer "allgemeinen Abwägung auflösen". Es sei ein Gesamtkonzept von Verwaltungskommunikation und Transparenz zu entwickeln, das wie das Transparenzgesetz in Hamburg oder das Bremer Informationsregister "in Richtung aktive Information der Bürger" gehe. Für verfrüht hielt es der Medienforscher, über eine Grundgesetzänderung nachzudenken.

Als in der Formulierung "ganz misslungen" kritisierte der Kölner Verwaltungsrechtler Michael Sachs dieses Anliegen der Grünen. Der Grundrechtsschutz der Informationsfreiheit sei auch über Artikel 5 in seiner jetzigen Form ausreichend garantiert. Die eigentliche Zielsetzung einer erhöhten staatsbürgerlichen Mitwirkung sah der Jurist durch das IFG nicht erreicht, da mit Anfragen überwiegend Schadensersatzklagen vorbereitet oder die Konkurrenz ausgeforscht werde. Trotzdem könne es unverändert fortbestehen, da bei dem verfolgten offenen Konzept von einem "Missbrauch" nur schwer zu sprechen sei. Allenfalls könne der Gesetzgeber eine "Wiederbeschaffungspflicht bei geschredderten Informationen" oder sogar strafrechtliche Sanktionen dafür ins Auge fassen.

Ähnlich äußerte sich Sachs' Kollege Martin Ibler von der Universität Konstanz. Das IFG hat seiner Ansicht nach den Informationszugang wesentlich gestärkt. Es habe aber nicht dazu beigetragen, das Demokratieverständnis zu fördern, zumal einmal erteilte Auskünfte nicht der gesamten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssten. Eingebaute Unschärfen hätten die Verwaltungsgerichte "bewältigt". Genauer sagen müsse der Gesetzgeber höchstens, "wie eine Abwägung vorgenommen werden soll". Eine Grundgesetzänderung hielt Ibler nicht für nötig.

Nicht als Sachverständigen geladen hatten die Parlamentarier den BFDI, Peter Schaar. Er war zuvor "für eine deutliche Erweiterung der rechtlichen Vorgaben und eine zügige technische Umsetzung eines umfassenden staatlichen Informationsangebotes" eingetreten. Eine zentrale Anlaufstelle könne etwa das angekündigte Open-Government-Portal des Bundes sein. Zudem sollten die Ausnahme-, Verfahrens- und Kostenregelungen des IFG hinterfragt werden. Ziel müsse es sein, den Bürgern eine schnellere, leichtere und günstigere Akteneinsicht zu ermöglichen.
(Quelle: heise-online: Stefan Krempl / ssu vom 24.09.2012)