Kategorien
Berlin

Berlin: Informationsfreiheits-Volksbegehren führt zu grundlegender Gesetzesänderung

Zur Offenlegung der Verträge zwischen dem Land Berlin und den Konzernen Veolia und RWE haben sich SPD, Linke und Grüne am 15. Juni auf einen gemeinsamen Entwurf zur Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes verständigt.

Als Reaktion auf die erfolgreiche erste Stufe des Volksbegehrens zur Offenlegung der Verträge zwischen dem Land Berlin und den Konzernen Veolia und RWE haben sich SPD, Linke und Grüne am vergangenen Dienstag (15. Juni) auf einen gemeinsamen Entwurf zur Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes verständigt. Dieser wird am 28. Juni im Innenausschuss behandelt und am 1. Juli im Abgeordnetenhaus abgestimmt.  

"Der gemeinsame Antrag von Rot-Rot und den Grünen für ein neues Informationsfreiheitsgesetz zeigt erneut, wie viel Reformkraft die Direkte Demokratie schon im Vorfeld eines Volksentscheids entfalten kann und wie sehr sie dazu beiträgt, die politische Debatte über die Parteigrenzen hinweg zu versachlichen. Nach dem Kita-Volksbegehren im vergangenen Jahr hat nun zum zweiten Mal ein Volksbegehren in Berlin zu umfassenden Gesetzesänderungen geführt", erklärt Michael Efler, Vorstandssprecher vom Verein Mehr Demokratie.

Der rot-rot-grüne Gesetzentwurf sieht vor, dass für Verträge mit Unternehmen in gesetzlich definierten Feldern der Daseinsvorsorge zwar grundsätzlich das Informationsfreiheitsgesetz gilt. Wenn der Vertrag jedoch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält, deren Offenlegung dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen würde, wird die Akteneinsicht und Aktenauskunft nur dann gewährt, wenn das öffentliche Informationsinteresse das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse des Vertragspartners überwiegt. Bei bestehenden Verträgen mit Geheimhaltungsklauseln muss der Senat den Vertragspartner zu Nachverhandlungen über eine Veröffentlichung auffordern. Kann innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten keine Einigung erzielt werden, wird Akteneinsicht gewährt, wiederum jedoch nur, wenn das Informationsinteresse das private Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegt. 

Den Initiatoren des Volksbegehrens gehen diese Regelungen nicht weit genug. Sie fordern die Offenlegung der Originalverträge zwischen dem Land Berlin und den Konzernen Veolia und RWE von 1999 in unveränderter Form. Deshalb beginnen sie am kommenden Montag (28. Juni) mit der Unterschriftensammlung für die zweite Stufe des Volksbegehrens. Bis zum 27. Oktober müssen 170.000 Unterschriften eingereicht werden. "Damit kommt es in Berlin zum fünften Mal zu einem Volksbegehren", bilanziert Michael Efler.

Der Antrag auf Volksbegehren war vom Senat 2008 zunächst für unzulässig erklärt worden, weil er gegen höherrangiges Recht wie private Geheimhaltungsinteressen verstoße. Die Initiative hatte gegen die Ablehnung geklagt und vom Berliner Verfassungsgericht Recht bekommen. Allerdings hat das Gericht Ende 2009 nur formal, nicht aber materiell, zur Frage der Zulässigkeit entschieden: Nach dem aktuellen Volksabstimmungsgesetz darf nach der ersten Stufe eines Volksbegehrens keine umfassende Zulässigkeitsprüfung stattfinden. Erst nach einem erfolgreichen Volksentscheid kann ein entsprechendes Gesetz vom Verfassungsgericht überprüft werden. Der Wassertisch kann also vorerst weiter für seine Forderungen eintreten.