In seinem Verhältnis zur Staatsverwaltung changiert der Bayer gemeinhin zwischen Aufmüpfigkeit und Obrigkeitshörigkeit, also zwischen Haberfeldtreiben und Sperrstunde. Es gab eine Zeit, da floss wegen dieser Ambivalenz Blut, als 1705 die Bayern gegen die strengen österreichischen Besatzer aufbegehrten. Kein Wunder also, dass sich die Ämter dieses unberechenbare Volk vom Leib halten wollen: Amtsgeheimnis nennen sie die Mauer des Schweigens.
Doch außer in Bayern gilt kaum irgendwo sonst das Amtsgeheimnis. In den Bundesbehörden wurde es vor dreieinhalb Jahren abgeschafft - ohne Angaben von Gründen kann jeder Bürger Einsicht in die Akten der Bundesministerien nehmen. Unter den Bundesländern schotten sich nur noch die hessische, baden-württembergische, niedersächsische und die sächsische Verwaltung von den Bürgern ab - und eben die bayerische. Und wenn es nach der CSU geht, dann soll das auch noch lange so bleiben. Erst vor wenigen Wochen hat die Partei Gesetzentwürfe von SPD und Grünen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, im Landtag abgelehnt - im engen Schulterschluss mit der FDP, die sich sonst immer die Informationsfreiheit auf die Fahnen heftet.
Doch die Mauer bröckelt: Immer mehr Gemeinden, zuletzt Pullach, Prien, Kitzingen und Grasbrunn, öffnen ihre Ämter.
Und jetzt könnte es ausgerechnet die Geheimniskrämerei um die EU-Agrarsubventionen sein, die dieses Ämterprivileg ins Wanken bringt: Warum will Agrarminister Helmut Brunner unbedingt geheim halten, wer von den EU-Millionen profitiert - trotz drohender Strafzahlungen in Millionenhöhe? Die Bayern-SPD tippte die Namen prominenter CSU-Politiker in die Suchmaske der Subventionsdatenbank ein. Für das Jahr 2007 enthält diese auch einen Teil der bayerischen Empfänger. Und was steht da? Neben zahlreichen anderen CSU-Würdenträgern auch Minister Helmut Brunner. Mindestens 6885 Euro erhielt Brunner im Jahr 2007 von der EU - sicher zu recht, denn die Familie des Ministers führt schließlich einen Bauernhof. Für 2008 aber will die Staatsregierung alle diese Zahlen unter Verschluss halten. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass hier die CSU in eigener Sache Geheimniskrämerei betreibt.
