Ein «gläsernes Rathaus» - das wünscht sich auch Christine Seer, Kandidatin für das Bürgermeisteramt und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat. Sie ist voll des Lobes für das Passauer Papier, das die Rechte der Bürger deutlich stärkt. In der Drei-Flüsse-Stadt zogen alle an einem Strang. CSU und ÖDP zeigten sich selten einig, als es darum ging, den Bürgern künftig mehr Einblick in die Akten der öffentlichen Verwaltung zu gewähren. Ohne Gegenstimmen wurde die Satzung Ende September beschlossen. «Dieses Beispiel hat uns Mut gemacht», sagt Seer. So haben nun auch die Nürnberger Grünen ihren Antrag auf eine Informationsfreiheitssatzung dem Oberbürgermeister vorgelegt - und hoffen, dass Ulrich Maly anders reagieren wird als sein Münchner Kollege Christian Ude, der keinen Bedarf erkennen wollte.
Die Grünen in Nürnberg haben sich die Passauer Variante zum Vorbild genommen. «Die Satzung ist wirklich gut», sagt Christine Stahl, Landtagsabgeordnete und rechtspolitische Sprecherin der Grünen. Sie bedauert, dass es in Bayern wegen des Widerstands der CSU kein Informationsfreiheitsgesetz gibt - immerhin schon in acht Bundesländern eine Selbstverständlichkeit. Auch auf Bundesebene, fügt sie hinzu, gelte seit dem 1. Januar 2006 ein solches Gesetz. Nun wolle man zumindest auf kommunaler Ebene Abhilfe schaffen. «Die Bürger», sagt Stahl, «sollen sich nicht als Bittsteller fühlen.»
Ob es um den Bau neuer Straßen geht, um Kosten für die Abwasserentsorgung, um Detailfragen zu den Energiepreisen oder um - ein Nürnberger Spezialfall - die fahrerlose U-Bahn und die finanziellen Folgen ihres verzögerten Starts: die Bürger sollen wissen, was sie wissen wollen. «Schließlich», sagt Christine Seer, «geht es ja auch um ihr Geld. Oft sollen die Leute zahlen, und wissen gar nicht, wie sich der Preis zusammensetzt - etwa für eine Straßenerschließung.»
Neue Offenheit ist gefordert und nach Wunsch der Grünen sollte sie, wie auch in Passau, kostenlos sein - zumindest wenn sich Fragen telefonisch beantworten lassen. Feste Fristen sollen zudem verhindern, dass die Bürger endlos lange auf Auskunft warten müssen.
Das Argument, auf die Behörden käme jede Menge Mehrarbeit zu, will Heike Mayer von Transparency International nicht gelten lassen. Die Organisation für Korruptionsbekämpfung gehört zu den Trägern des Bündnisses für Informationsfreiheit in Bayern. Je besser die Bürger informiert seien, desto besser funktioniere auch die öffentliche Kontrolle. «Korruption und Filz lassen sich dann besser verhüten», sagt sie. «Und sicherlich ist mehr Offenheit gegenüber den Bürgern auch ein gutes Mittel gegen die zunehmende Politikverdrossenheit.»
